Lessings Berufung zum Bibliothekar nach Wolfenbüttel scheint vielversprechend. Über ein neues Periodikum, Zur Geschichte und Litteratur, macht er die Schätze seiner Bibliothek einem breiten Publikum zugänglich und fordert die gelehrte Welt zur Mitarbeit an der Erschließung neuen Wissens auf. Gleich mit seinem ersten Fund, dem Berengarius Turonensis, legt Lessing ein neues Werk vor, dessen sprachloche Brillanz und gelehrte Mikrologie an die früheren Schriften nahtlos anknüpft. Eine mit großem Engagement vorgetragene Entdeckung ist auch die Edition der Geschichte des Barockdichters Andreas Scultetus. Mit den Zerstreuten Anmerkungen über das Epigramm gelingt ihm nicht nur eine genetische Darstellung der Gattung; unter den leitenden Begriffen der Schönheit und der Erkenntnis gelangt er zu Bestimmungen, die sich seitdem als tragfähig erwiesen haben. Aber sehr bald wird Lessing bitter über die Lage, in die er sich begeben hat. Erstmals in seinem Leben fühlt er sich durch Zwänge gebunden, deren er nicht Herr ist. Im September 1771 verlobt sich Lessing mit Eva König. Hoffnung keimt auf, Wolfenbüttel zugunsten einer Anstellung in Wien verlassen zu können. Ein neugefundenes, freilich nur kurzfristiges Gefühl der Heiterkeit beflügelt ihn und ermöglicht ihm den Abschluß eines seiner bedeutendsten Werke: der Emilia Galotti.