Dante war nicht nur Dichter, sondern auch Universalgelehrter und Politiker. Es verwundert folglich nicht, wenn sein Hauptwerk nicht nur eine poetische Meisterleistung darstellt, sondern vor allem ein Ort der Thematisierung historischer wie zeitpolitischer Vorgänge ist, von denen Dante sich persönlich betroffen fühlte. Diese Komplexität der Inhalte in der Divina Commedia soll in vorliegendem Aufsatz am Beispiel der Stadt Lucca näher untersucht werden. Bei der Untersuchung der einschlägigen Textstellen ist nicht nur interessant, wie Dante über die Stadt Lucca und ihre Bewohner urteilt, sondern auch, welche Rolle seine eigene politische Aktivität bei diesen Urteilen spielt. Ziel der Arbeit ist schließlich, so etwas wie die Meinung Dantes über die Stadt Lucca herauszukristallisieren. Denn jede größere Stadt, die in Dantes Werk Erwähnung findet, steht für etwas Bestimmtes: Rom ist die Stadt des verkommenen Pontifikats, Pisa dient als Symbol des Staatsverrates, Bologna als Symbol der Kuppelei und Verona kann wie kaum eine andere Stadt als città dantesca schlechthin bezeichnet werden. Auf der Grundlage vorliegender Untersuchungen soll das Spezielle an der Stadt Lucca gesucht und in Beziehung zu Dantes Meinung von den Städten seiner Zeit gesetzt werden.
Wichtigste Episoden, die Lucca betreffen sind: Alessio Interminelli im Graben der Schmeichler, Bonturo Dati im Graben der Staatsbetrüger und das Treffen mit Bonagiunta Orbicciani.
Durch Dantes Verflechtung dichterischer Leistung mit politischer Meinung wird die Divina Commedia zum politischen Buch. Dante bringt seine politische Position mit ein, auch wenn nur etwas versteckt, verurteilt aber um so deutlicher seinen politischen Gegner. Erst durch diese Komplexität gewinnt Dantes Werk seinen ganz besonderen, heute noch gültigen Reiz als "historisches Epos".