Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Universität Münster, Sprache: Deutsch, Abstract: Da die meisten Überlebenden des Holocaust heute, mehr als sechzig Jahre danach, bereits verstorben sind, treten nun diejenigen, die zur Zeit der Verfolgung noch Kinder waren, in den Mittelpunkt des literarischen und öffentlichen Interesses. Die damaligen Kinder haben in den letzten Jahren ihr jahrzehntelanges Schweigen gebrochen und beteiligen sich nun durch ihre eigenen Erinnerungen intensiv am aktuellen Holocaust- Diskurs.
Die vorliegende Arbeit widmet sich einer Auswahl dieser autobiographischen Texte, die alle von Autoren stammen, die als Kinder oder Jugendliche die Shoah überlebt und ihre Erfahrungen erst vor kurzem literarisch verarbeitet haben.
Da der Holocaust eine internationale Katastrophe war, die nach dem Krieg autobiographische Veröffentlichungen in vielen verschiedenen Sprachen nach sich zog, ist es bei einer Untersuchung dieser Texte nötig, über die deutschsprachige Literatur hinauszublicken. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit nicht nur Texte untersucht, die in deutscher Sprache verfasst worden sind, wie Ruth Klügers weiter leben1 oder Binjamin Wilkomirskis Bruchstücke2, sondern auch der holländische Text Kinderjahre von Jona Oberski3 sowie Cordelia Edvardsons Gebranntes Kind sucht das Feuer4, das auf Schwedisch veröffentlicht wurde.
Diese Texte stehen aufgrund ihrer Form als auch ihres Inhalts nicht nur in der Tradition der Zeugnisliteratur zum Holocaust, sondern ebenso in derjenigen der Autobiographien, insbesondere der Kindheitsautobiographien. Will man der besonderen literarischen Position der Texte gerecht werden, muss man sich daher zunächst den unterschiedlichen Genres im Einzelnen zuwenden, damit erst in einem zweiten Schritt die Kindheitsautobiographien zur Shoah anhand der gewonnenen Erkenntnisse näher analysiert werden können.
In dieser Arbeit soll vor allem den Fragen nachgegangen werden, inwieweit man die Kindheitsautobiographien überhaupt als Autobiographien bezeichnen kann, durch welche Kennzeichen sie sich von den allgemeinen Holocaust-Texten unterscheiden und was sie schließlich doch zu einem Bestandteil der Zeugnisliteratur macht. Dies kann nur gelingen, indem die Texte zwar einzeln untersucht werden, sie aber dennoch im Hinblick auf gemeinsame bzw. ganz individuelle Topoi oder stilistische Darstellungsweisen schon während der Textanalyse miteinander verglichen werden.