Es schmilzt, es wankt, etwas ist in unserer Welt längst ins Ungleichgewicht geraten. Das Eis schwindet und hinterlässt Schlamm und Krater. Mammuts werden freigelegt und schnell werden Jäger:innen davon angelockt - endlich können sie Elfenbein verkaufen ohne zu töten. In Grelle Tage, in dem die Geschehnisse stets parallel verlaufen und die Figuren Zeit und Raum mühelos überwinden, taucht auch ein 13.000 Jahre alter zerfledderter Wolfshund in einem ausgetrockneten Brandenburger See auf. Dort sitzt Teenager:in Jo, schwitzend und nie mehr schlafend, damit sich die Welt vor den eigenen Augen nicht noch weiter auflöst. Aber das Tauklima hat nicht nur die Böden, sondern auch die Berge in Bewegung versetzt, dem Matterhorn fehlt nun das Horn. Wolfshund und Jo begeben sich gemeinsam auf einen wilden Roadtrip, kaufen im Baumarkt Kies und klauen ein Auto, um das Loch im Berg zu füllen. Aber der zerfledderte Hund verliert beständig an Substanz, obwohl er die Mission unbedingt zu Ende bringen will. Die Zersetzung hat längst begonnen.
Selma Matter erzählt vielschichtig und mit leisem Humor eine dystopische Geschichte, die von einer beängstigenden, neuen Mobilität und Deformation unserer Welt handelt. Dabei erfindet Matter eine virtuose und bildhafte Sprache, die sich mit ihren Figuren mehr und mehr auflöst und am Ende fragt: was bleibt?
»Du kannst doch nicht einfach stehen bleiben wie eingefroren! - Bin ich aber? Zur Hälfte? Mein Körper hat immer Umgebungstemperatur? Unter null friere ich ein, dann ist mit mir nichts mehr anzufangen?«