Thomas Manns großer Zeitroman aus dem Jahr 1924
»Ganz Europa stürzte mir in den Kopf ?«, schrieb Susan Sontag über Thomas Manns »Zauberberg«. Ganz Europa - das ist in Thomas Manns Roman die »große Konfusion« an Ideologien, Überzeugungen und Positionen, die unversöhnlich aufeinanderprallen, so dass man sich, komisch und tragisch zugleich, nur noch Schlagworte an den Kopf wirft. Welcher große Roman der Weltliteratur bringt diese hochnervöse, gereizte Stimmung, die uns hundert Jahre später wieder so bekannt vorkommt, eindringlicher zur Anschauung? Welcher Roman sieht so hellsichtig den Zusammenhang von Sprache und Gewalt? Zugleich aber erzählt Thomas Mann auch davon, wie man der Gewalt und dem drohenden Krieg womöglich entkommen könnte: indem man vielleicht wie die Hauptfigur Hans Castorp eher zuhört, als endlos zu reden. Und indem man vielleicht nicht alles so furchtbar ernst nimmt wie Naphta und Settembrini auf dem Zauberberg und all die Alphamänner dieser Welt.
Geplant als Novelle, als heiteres Gegenstück zum 'Tod in Venedig', entstand mit dem 'Zauberberg' einer der großen Romane der klassischen Moderne. Ein kurzer Besuch in einem Davoser Sanatorium wird für den Protagonisten Hans Castorp zu einem siebenjährigen Aufenthalt, der Kurort wird zur Bühne für die europäische Befindlichkeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im Juli 1913 begonnen, während des Krieges durch essayistische Arbeiten, vor allem durch die 'Betrachtungen eines Unpolitischen', unterbrochen, konnte der Roman 1924 abgeschlossen und veröffentlicht werden.
Der Band 5 der 'Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe' folgt dem Erstdruck.
Der 24-jährige Hamburger Patriziersohn Hans Castorp reist vor Antritt seiner
Ingenieursausbildung zu Besuch seines lungenkranken Vetters in das Sanatorium
Bergfried im schweizerischen Davos. Aus den geplanten drei Wochen Aufenthalt
werden sieben Jahre. In der gewissermaßen zeitentrückten, atmosphärisch
von Krankheit und Tod geprägten Berg- bzw. Sanatoriumswelt erweist sich
der >>einfache junge Mensch<< als leicht empfänglich für die sinnlichen
und geistigen Einflüsse und die von den einzelnen Romanpersonen vertretenen
weltanschaulichen Positionen. Hierbei stehen die verführerische Russin
Clawdia Chauchat, der >>Zivilisationsliterat<< Settembrini, der fanatische
Jesuitenschüler Naphta sowie die später auftretende >>große Persönlichkeit<<
des Mynheer Peeperkorn sich in wechselnden Konstellationen als aufeinander
bezogene Antipoden gegenüber, die gewissermaßen um die Seele des Helden
kämpfen. Während der Vetter Joachim nach seiner verfrühten Abreise zurückkehrt
und an seiner Krankheit stirbt (>>Als Soldat und brav<<), findet Hans Castorps
Aufenthalt und damit der Roman sein abruptes Ende in dem ausbrechenden
Weltkrieg, in dem sich die Spur des Helden verliert.